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Die Schulmedizin ist unbezweifelt wirksam. Allerdings trifft die Anwendung von Psychopharmaka teils auf berechtigte Skepsis. Komplementärmedizin versteht sich als Ergänzung zu schulmedizinischen Behandelmethoden. Wir bringen - wenn verantwortbar und gewünscht - auch Phytotherapie (Pflanzenheilkunde), Homöopathie und Mind-Body-Medicine zur Anwendung.
Sebastian Kneipp
Phytotherapie (oder auch Pflanzenheilkunde oder Kräuterheilkunde genannt) zielt auf die Behandlung von Krankheiten durch Pflanzen und deren Zubereitungen (Pulver, Tee, Extrakt, Tinktur). Die Phytotherapie ist wohl die älteste medizinische Therapiemethode überhaupt. Vor allem ausserhalb des abendländischen Kulturkreises ist sie auch heutzutage die weltweit gebräuchlichste Heilmethode. Auch in Europa galt die Pflanzenheilkunde lange als die wichtigste Heilkunst. Das Arzneimittelgesetz unterscheidet zwischen pflanzlichen Arzneimitteln mit anerkannter medizinischer Verwendung, sog. rationalen pflanzlichen Arzneimitteln, und traditionellen pflanzlichen Arzneimitteln. Rationale pflanzliche Arzneimittel stützen ihre Wirksamkeit zur Heilung und Linderung von Krankheiten auf die Prinzipien der Naturwissenschaft und der evidenz-basierten Medizin. Wirksamkeit und Unbedenklichkeit müssen dabei durch klinische Studien, die bestimmten Kriterien genügen, oder entsprechendes bibliographisches Material nachgewiesen sein. Pflanzliche Arzneimittel, deren Wirksamkeit und Sicherheit durch eine mehr als 30jährige Tradition belegt sind, benötigen für das Inverkehrbringen lediglich eine Registrierung.
– Samuel Hahnemann, 17961–
Die Homöopathie ist als Alternativmedizin sehr beliebt. Unter naturwissenschaftlichen Gesichtspunkten ist ihre Wirksamkeit jedoch unzureichend belegt. Ein Grundpfeiler der Homöopathie ist das sog. Ähnlichkeitsprinzip (similia similibus): Ein Arzneimittel wirkt dann, wenn es ähnliche Symptome hervorrufen kann, wie die Krankheit selbst. Das homöopathische Mittel wird dabei in möglichst hoher Verdünnung verabreicht. Zum Beispiel: Eine Substanz, die eigentlich Fieber auslöst, soll stattdessen Fieber senken, wenn sie stark verdünnt eingenommen wird. Die Homöopathen selbst sprechen von Potenzierung oder Dynamisierung. Zugrunde liegt die Beobachtung Hahnemanns, dass durch die Verdünnung des Wirkstoffs eine höhere und langfristigere Wirksamkeit der eingesetzten Lösungen erzielt wird. In der klassischen Homöopathie gilt eine Krankheit als Störung des ganzen Menschen. Nicht ein einzelnes Symptom wird behandelt, sondern der Mensch in seiner Gänze. Ziel ist es, die Selbstheilungskräfte des Körpers zu aktivieren. Homöopathie ist für jeden geeignet. Wegen der geringen Nebenwirkungen wird sie auch oft bei Kindern zugepasst.
Eine Schwierigkeit der klassischen Homöopathie ist die aufwändige, auf den Patienten abgestimmte Ermittlung des passenden homöopathischen Einzelmittels. Auch müssen bei gesundheitliche Beschwerden teils verschiedene Mittel gleichzeitig oder nacheinander verordnet werden. Mit Komplexmittel-Homöopathie wird eine Weiterentwicklung des von Hahnemann begründeten Heilverfahrens bezeichnet. Im Gegensatz zur klassischen Homöopathie werden bei Komplexmitteln mehrere Arzneistoffe zu einem Medikament gemengt. Die ausgesuchtem Einzelbestandteile ergänzen sich in Bezug auf die Heilung eines bestimmten Krankheitsbildes. Die Stoffe entfalten dabei eine gegenseitig fördernde Wirkung. Die Komplexmittel-Homöopathie nahm im 19. Jahrhundert ihren Anfang und kann auf eine eigene breite Erfahrungstradition verweisen. Komplexmittel zeichnen sich durch ihre sanfte und zuverlässige Wirkweise aus. Der berühmte deutsche Naturheilkundler Pastor Emanuel Felke (1856-1926) wird als Vater der Komplexmittel-Homöopathie angesehen. Während seiner Behandlungstätigkeit begann Felke zunehmend einzelne homöopathische Mittel miteinander zu kombinieren, wobei er sich der Schriften Hahnemanns und anderer bedeutender Naturheilkundler bediente.
Der Begriff der Ordnungstherapie geht auf Max Bircher-Benner (1867 – 1939) und Sebastian Kneipp (1821 – 1897) zurück. Dabei geht es um die Frage, wie der Mensch seinen persönlichen Lebensalltag, die Lebensordnung, gestaltet, z.B. in den Bereichen Ernährung, Bewegung, Entspannung, soziales Eingebundensein und um seinen gesamten Tagesablauf. Die Ordnungstherapie zielt auf die Entwicklung eines gesundheitsförderlichen Lebensstils.
Auch die Mind-Body-Medizin (MBM) zielt auf die Stärkung einer gesundheitsföderlichen Gestaltung des Lebensalltags ab. Die MBM wurzelt u.a. in den Ergebnissen der Stressforschung. Sie fokussiert den wechselseitigen Einfluss von Geist, Psyche (Mind), Körper (Body) und Verhalten sowie auf die Wirkungen von Gefühlen, Gedanken, Einstellungen, sozialen und spirituellen Aspekten und Verhaltensfaktoren auf die Gesundheit. MBM unterstützt die Entwicklung von Selbstfürsorge. Dabei kann die MBM auch Begleitung bieten eine Sinnhaftigkeit für das eigene Leben und die aktuelle Lebenssituation zu finden. Konzepte der MBM werden seit den 1970er Jahren vor allem in den USA entwickelt und beforscht. Hierzu können exemplarisch folgende Modelle genannt werden:
•Stressreduktions-Programm (Stress Reduction Programm) entwickelt von Herbert Benson und seinem Team am Mind/Body Medical Institute, Harvard Medical School (Benson 1976; Benson & Stuart 1995)
•Stressbewältigung durch Achtsamkeit (Mindfulness-Based Stress Reduction Program - MBSR) entwickelt von Jon Kabat-Zinn und seinem Team an der Stress Reduction Clinic, University of Massachusetts Medical School (Kabat-Zinn 1986 und 2011)
•Lebensstil Programm (Program for Reversing Heart Disease) entwickelt von Dean Ornish und seinem Team an der School für Medicine, University of California, San Francisco (Ornish et al. 1990; 2001 und 2010)
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1 Samuel Hahnemann: Versuch über ein neues Prinzip zur Auffindung der Heilkräfte der Arzneisubstanzen, nebst einigen Blicken auf die bisherigen. In: Christoph Wilhelm Hufeland (Ed.): Journal der practischen Arzneykunde und Wundarzneykunst. Vol. II. 1796.